Dieser Biohof Hamburg entwickelt die Zukunft der Landwirtschaft

Ich war zu Besuch auf einem Biohof Hamburg. Im Westen von Hamburg entwickelt das Gut Haidehof die Zukunft der Landwirtschaft. Grund genug für Elle Republic, sich mit den Machern zu unterhalten.

Als ich mit dem liebsten Schwaben auf dem Gut Haidehof zu Besuch war, haben wir nicht nur spannende Menschen getroffen, sondern auch viel über die Zukunft der Landwirtschaft gelernt, die dort heute schon betrieben wird. Deswegen haben wir entschieden, nicht nur darüber zu schreiben, sondern auch einen Podcast mit Video zu machen. So bekommt Ihr einen noch besseren Eindruck davon, was das Team vom Gut Haidehof so besonders macht. Ihr findet Beides weiter unten im Artikel und natürlich auf YouTube und den gängigen Podcast-Portalen. Viel Spaß damit!

Die Zukunft der Landwirtschaft findet auf diesem Biohof Hamburg statt

In 45 Minuten sind wir von der Hamburger Innenstadt nach Wedel gefahren. Dort betreibt ein kleines Team von 5 Menschen einen Biohof, der im Einklang mit der Natur Lebensmittel in der best möglichen Qualität erzeugt. Seit zwei Jahren verwandeln Hannes, Astrid, Stephan, Alba und Bork den ehemaligen Reiterhof zu einem Vorzeige-Modell für die Landwirtschaft der Zukunft. Und wer möchte, kann sich jeden Samstag von 9-15 Uhr im Hofladen von der unglaublichen Qualität der Lebensmittel selber überzeugen. Außerdem gibt es Führungen, bei denen den Besuchern erklärt wird, was die Landwirtschaft auf dem Gut Haidehof so besonders macht. Im Gespräch erläutert Hannes das ganz einfach: „Ein Gastwirt kümmert sich um seine Gäste. Also sollte sich ein Landwirt um das Land kümmern“. Das ist auch der Kern der Aktivitäten auf dem Hof. Das Land, beziehungsweise der Boden wird auf natürliche Art und Weise über Jahre hinweg zu einem natürlichen Bio-Top voller Nährstoffe entwickelt.

SonnenblumenDer Boden entscheidet über die Qualität der Lebensmittel

Für Hannes ist ein gesunder Boden ein Mikrokosmos, der voller Bakterien und anderer Kleinstlebewesen die Grundlage für gesunde Lebensmittel ist. Er vergleicht einen gesunden und fruchtbaren Boden mit einem Waldboden. Denn in einem gesunden Wald sorgt die Natur von selbst dafür, dass der Boden aus sich selbst lebt und alle Organismen bestens versorgt. Ein Garten, wenn er neben Gemüse auch noch Bäume und Sträucher beherbergt, ist eine Art Miniatur-Wald, der nach den gleichen Prinzipien funktionieren kann. Wenn man ihn denn lässt. Denn das ist ein Problem der herkömmlichen Landwirtschaft: Wir lassen es nur noch selten zu, dass sich die natürlichen Lebensgemeinschaften im Boden voll entwickeln können. Ein Pflug zum Beispiel, zerstört den vielfältigen Lebensraum und mit dem massiven Einsatz von synthetischen Düngemitteln und verschiedenen Chemikalien zum „Pflanzenschutz“ wird dann versucht, das verlorene Leben zu ersetzen und die Erträge zu steigern. Doch ein Teil dieser Chemikalien landet leider auch in unseren Lebensmitteln. Auf dem Gut Haidehof werden weder künstliche Düngemittel, noch Chemikalien zum Pflanzenschutz oder große Maschinen eingesetzt. Die Beete sind so angelegt, dass der Mensch sich hier gut bewegen und den Boden bei seiner natürlichen Entwicklung unterstützen kann. So sind die Beete 0,75 Meter breit und man kann mit gespreizten Beinen oder seitlich kniend bequem arbeiten.

KatzeMikroorganismen im Boden sorgen für Nährstoffe im Gemüse

Doch bevor es zur Anpflanzung kommt, haben bereits die Tiere des Biohofes Hamburg ihre Arbeit getan. Es gibt Kühe, Schafs-Böcke und Hühner, die in einer voll mobilen Weidehaltung jeden Tag ein anderes Stück Land abgrasen und düngen dürfen. So bekommt der Boden wichtige Nährstoffe und die Tiere gesunde und natürliche Nahrung. Das Ergebnis ist beeindruckend, denn der Boden auf dem Gut war vor zwei Jahren noch in sehr schlechter Verfassung. Auf einer Skala von 1-100 war der Boden zum Start im Schnitt bei gerade mal 15 Punkten. Normalerweise lässt jeder Gärtner die Finger von so einem schlechten Boden. Doch wir können schon nach zwei Jahren sehen, wie gut das natürliche System funktioniert. Hannes fordert mich auf, meine Hand in den Boden eines der Beete zu stecken. Und der ist weich wie Butter. Genauso wie ein gesunder Waldboden. Denn mit Unterstützung des Menschen konnte sich der Boden auf völlig natürliche Weise selbst regenerieren, so dass nicht nur die Pflanzen darauf sich prächtig entwickeln können, sondern auch alle wichtigen Mikroorganismen. Leider haben auch einige Wühlmäuse eine neue Heimat gefunden haben. Damit die Wühlmäuse nicht über Hand nehmen und sich die ganze Ernte einverleiben, sorgen zwei Katzen und Sitzstangen für Greifvögel für eine natürliche Balance. Trotzdem werden wohl auch ein paar Wühlmäuse bleiben, denn „das Leben ist schließlich ein Geben und Nehmen“, so Hannes.

Wie funktioniert regenerative Agrarkultur?

Als regenerative Agrarkultur bezeichnet Hannes die Art der Landwirtschaft, die auf dem Gut betrieben wird. Ein wichtiges Grundprinzip hierfür kennen wir noch aus der Schule : Die Photosynthese. Hierbei wandelt die Pflanze über ihre Blätter CO2, Wasser und andere Nährstoffe in Biomasse um. Ein Teil dieser Biomasse teilt die Pflanze über ihre Wurzeln in Form von Wurzelsäften (vereinfacht kann man von Zuckern sprechen) mit der Mikrobiologie des Bodens. Diese Mikrobiologie liefert im Gegenzug wichtige Nährstoffe, welche die Pflanze selbst nicht erzeugen kann. Deswegen wird auf dem Hof biointensiv gearbeitet: Bedeutet, möglichst viele Pfanzen pro Fläche und damit möglichst viele Wurzeln und somit Futter für die vielen Kleinstlebewesen im Boden. Nebenbei sorgen die Blätter der dicht gesetzten Pflanzen noch dafür, dass starker Regen den Boden nicht davonspült. Wie viele kleine Regenschirme. Auch die Vielfalt der angebauten Pflanzen bringt noch weitere wichtige Vorteile mit sich. Zwischen den Gemüsebeeten gibt es immer wieder kleine Hecken und Blühstreifen, die wie eine blühende Wiese Bienen und andere Insekten dazu auffordern, ihre Arbeit zu tun. Hannes zeigt mir einen weiteren Beweis für die gute Qualität des Bodens. Denn unter den Blättern des Gemüses wachsen auch Pilze, die ebenfalls wichtig für die Fruchtbarkeit und Pflanzengesundheit sind. Wie gesagt, wir befinden uns in einem Miniaturwald.

Rosenkohl PflanzeIst regenerative Agrarkultur die Zukunft der Landwirtschaft?

Wenn es nach Hannes und dem Team auf dem Biohof Hamburg geht, gibt es keine Alternative. Denn wenn wir so weiter machen wie bisher kann die Natur den Menschen nicht mehr ernähren. Wenn wir der Natur nicht die Möglichkeit geben, ihre regenerativen Kräfte zu entfalten und wir sie dabei unterstützen, dann führt das unweigerlich dazu, dass neben der Umweltzerstörung auch die Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, uns nicht mehr gesund halten, sondern uns sogar krank machen können. Hannes erläutert das sehr direkt:

„Wenn wir mit Bioziden (also Pflanzenschutzmittel in Form von Herbiziden, gegen Unkraut, Fungiziden, gegen Pilzkrankheiten, und Pestiziden gegen Insekten) gegen die Biologie des Bodens arbeiten, dann können diese Stoffe nicht nur den Mikroorganismen im Boden schaden, sondern sie können auch genauso wichtige, gutartige Bakterien in unserem Organismus stören. Wie wichtig beispielsweise eine gesunde Darmflora mit der Vielzahl an verschiedenen Bakterien für unser gesamtes Wohlbefinden ist, ist mittlerweile auch wissenschaftlich eindeutig bewiesen. „Wir roden in Brasilien den Regenwald, um dort Soja anzubauen, womit wir dann unsere Kühe aus der Massentierhaltung füttern“, so Hannes. „Der Pansen einer Kuh ist aber gar nicht für Soja gemacht. Ein Kuhmagen braucht Gras“, so der Landwirt weiter. „um die Symptome von nicht artgerechter Massentierhaltung auszugleichen, wird die mit Soja gefütterte Kuh dann oft schon präventiv mit Medikamenten behandelt. Und diese Medikamente landen dann letztendlich auch in unseren Böden und teilweise auch in unseren Mägen“. Dabei ist es so einfach. Es gibt viel Weideland, um die Kühe ihr Gras fressen zu lassen. Allerdings müssen wir uns dann von der Massentierhaltung und den rauen Mengen der industriellen Fleischproduktion verabschieden.“

Gut Haidehof Hamburg WeidenkuhIndustrielle Tierhaltung ist das Problem

Denn wenn an einem Ort viele Tiere gehalten werden, dann muss auch viel Tierfutter an diesen Ort geschafft werden. Gleichzeitig fallen an diesem einen Ort die ganzen Fäkalien, die ja eigentlich Pflanznährstoffe sind, in großen Massen an. Auch diese müssen dann wieder zum Feld transportiert werden. Da sieht die Klimabilanz nicht sehr gut aus. Und wie gesagt werden den Tieren in ihren engen Ställen dann auch noch Medikamente zugeführt. Laut Hannes, hat eine vollmobile Weidehaltung, wie sie auf dem Haidehof betrieben wird viele Vorteile für die Tiergesundheit: „Wir kommen mit unseren Tieren durch das stetige Umtreiben ja stets auf frische Weidegründe. So verteilen wir zum Einen die wertvollen Nährstoffe gleichmäßig, entkommen aber auch dem Parasitendruck und bieten nebenbei immer frisches Futter aus dem reichhaltigen Buffet der frischen Weide“. Auch das ist ein Beleg für die natürliche Landwirtschaft.

Gut Haidehof Hamburg Weidenkuh

Nose to Tail ist die Lösung

Eine Lösung für das Problem der industriellen Tierhaltung schlägt Hannes auch gleich vor: „Weniger und dafür bewussterer Fleischkonsum! In den USA ist das Prinzip ‚Nose to Tail‘ immer beliebter. Das heißt wenn Tiere geschlachtet werden, wird das ganze Tier verwertet und nichts bleibt übrig. Wenn wir das machen, steigt zum einen unser Bewusstsein für den Fleischkonsum und zum anderen drücken wir auch eine Wertschätzung dadurch aus, dass möglichst wenig verschwenden“. Auf dem Gut Haidehof wird sogar die Tierhaut zu Hundekaustangen verwertet. „Hunde sind Nachkommen der Wölfe. Und diese fressen ihre Beute auch inklusive Haut und Haaren. Denn in der Haut sind auch viele gesunde Mineralien und Ballaststoffe und die Haare reinigen unter anderem auch die Zähne“, erläutert Hannes. Es wird aber lange dauern, bis wir von der industriellen Tierhaltung wegkommen. Deswegen ist es so wichtig, dass kleine Landwirte von uns unterstützt werden, denn diese werden in Deutschland immer weniger. Das ist auch ein Grund, warum ich mit Elle Republic künftig neben dem Biohof Hamburg auch über andere Biohöfe in Deutschland berichten möchte.

Hannes war vorher als Wasserbau-Ingenieur in Afrika

Nach seinem ersten Studium ist der sympathische Landwirt nach Afrika gegangen, um dort zunächst in Wasserbauprojekten der internationalen Entwicklungszusammenarbeit Erfahrungen zu sammeln Doch für Hannes waren die technischen Ansätze zur Wasseraufbereitung nur Symptom-Bekämpfung. Er entschied sich, sich künftig mehr um die Ursachen der falschen Landnutzung zu kümmern, denn ein gesunder Boden reinigt unser Wasser besser als die meisten technischen Anlagen. Nach einem kurzen Abstecher in die Korruptions-Bekämpfung in Uganda, ist er heute nicht nur als Landwirt tätig, sondern er berät auch andere Landwirte in der regenerativen Landwirtschaft. Denn die ist nicht nur gut für die Umwelt und den Menschen, sondern sie rechnet sich auch.

Dieser Biohof Hamburg entwickelt die Zukunft der LandwirtschaftWie man mit regenerativer Landwirtschaft auch Geld verdient

Hannes erklärt mir, dass die meisten Landwirte nur zwischen 5% und 15% der Erlöse erhalten, wenn die Produkte über die Supermärkte vertrieben werden.. Denn bis die Lebensmittel ihren Weg in die Handel gefunden haben, gibt es noch jede Menge Zwischenstationen. Auf dem Gut Haidehof wird direktvermarktet und es fließen 100% in die Kasse bevor, die Kosten für Futter und Gehälter abgezogen werden. Doch Hannes macht auch noch eine andere Rechnung auf: Wenn die Natur geschont wird und wir gesunde Landwirtschaft betreiben, entfallen hohe potentielle Kosten, die der Klimawandel mit sich bringt. Auch das ist ein Mehrwert, den wir alle bekommen. Schließlich müssen Schäden durch den Klimawandel mit Steuergeldern bezahlt werden. Jeder Biohof, der auf natürliche Landwirtschaft setzt, leistet einen wichtigen Beitrag, um diese Aufwände zu minimieren, zum Beispiel durch den Aufbau von Humus und die damit verbundene Speicherung von CO2.

Um Geld zu verdienen, verfügt der Biohof Hamburg sogar über drei Vertriebskanäle: neben dem Hofladen gibt es ein Bio-Abo mit einer wöchentlichen Bio-Kiste, die je nach Saison und Ernte gefüllt wird. So versorgen die Bio-Bauern ihre Nachbarschaft mit regionaler und saisonaler Ware. Und der dritte Vertriebsweg sind Top-Gastronomen, die für ihre Küchen die beste Qualität an Lebensmitteln wollen. Die Liste an Starköchen, die auf dem Biohof Hamburg einkaufen wird immer länger und beeindruckender. In diesen Top-Restaurants in Hamburg bekommt Ihr unter anderem Lebensmittel vom Gut Haidehof: Haco, XO Seafoodbar, Landhaus Scherrer, Restaurant Klinker. Außerdem im Restaurant Haebel und der Hygge Brasserie & Bar. Ich werde da in Zukunft auf jeden Fall mal vorbeischauen.

Dieser Biohof Hamburg entwickelt die Zukunft der LandwirtschaftStart-Up-Feeling auf dem Bauernhof

Auf meinem Rundgang über den Biohof Hamburg traf ich nicht nur auf ein spannendes und hochmotiviertes Team aus mehreren Ländern, sondern mir ist auch die gute Stimmung aufgefallen, die hier herrscht. Das liegt sicher daran, dass alle, die hier arbeiten, ihren persönlichen Traum leben. Doch auch die Organisationsstruktur auf dem Biohof ist einzigartig und erinnert an ein modernes Start-Up. Es gibt keine strenge Hierarchie, sondern es wird in kleinen Kompetenzbereichen gearbeitet und wichtige Entscheidungen werden immer im Team getroffen. Jeden Morgen gibt es ein Team-Meeting, das alle einbezieht und über die wartenden Aufgaben informiert. So weiß jeder, was wer macht und wo er noch mithelfen kann. Hannes verweist auf die Arbeit von Frederic Laloux. Der ehemalige McKinsey Berater beschreibt in seinem Buch „Reinventing Organizations“ https://www.amazon.de/Reinventing-Organizations-Gestaltung-sinnstiftender-Zusammenarbeit/dp/3800649136, die Organisationsform der Zukunft ohne starre Strukturen und viele Hierarchie-Ebenen, damit die Menschen motiviert und zufrieden arbeiten können.

Hühner

Sogar die Tiere haben gute Laune

Die positive Atmosphäre auf dem Biohof Hamburg scheint sich auch auf die Tiere zu übertragen. Auf der Weide habe ich richtige „Kuschelkühe“ getroffen, die wie große Hunde gestreichelt werden wollten. Die Hühner sind super zutraulich und lassen sich auch gerne streicheln und auf den Arm nehmen. Und Hannes beschreibt seine tägliche Motivation unter anderem damit, dass er jeden Morgen, wenn er zu den Hühnern kommt „220 fache Liebe“ gezeigt bekommt. „ Wer hat das schon?“. Da kann ich ihm nur neidisch zustimmen. Aber ich habe immerhin den liebsten Schwaben. Den könnt Ihr übrigens im Video und im Podcast sehen. Denn er hat sich mit Hannes unterhalten. Schaut und hört mal rein. Es lohnt sich, denn Hannes erzählt noch viel mehr über sein Leben auf dem Biohof Hamburg und die Zukunft der Landwirtschaft. Uns hat es dort sehr gut gefallen und wir werden sicher noch öfter vorbeischauen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein